Bipolare affektive Störung Typ II: Try everything – ich probier‘ alles aus.
Betroffene: Pepita Wertig
Jahrgang: 1972
Diagnose: Bipolare affektive Störung Typ II
Therapie: Ergotherapie, Medikamentöse Behandlung
Ressourcen: Malen, Schreiben, Lesen
Wie und wann hast du von deiner Störung erfahren?
2015, ein Jahr nach meinem zweiten Burn-Out.
Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?
Ich möchte vor allem betroffenen Eltern einen Weg zeigen, wie sie mit ihrer Krankheit im Familienalltag umgehen können. Ich möchte den Partner*innen von Betroffenen Mut machen, die Hoffnung nicht aufzugeben, dass es besser wird.
Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld in Bezug auf deine Störung wünschen?
Zunächst war viel Unverständnis da, vor allem darüber, wie wenig ich selbst zu den Auswirkungen der Erkrankung beitragen kann. Ich leide zum Beispiel unter Schlafstörungen in den hypomanen Phasen. Mittlerweile weiß ich, dass ich nachts in der Klinik anrufen kann, und die kurzen Gespräche helfen mir sehr, die Schlaflosigkeit auszuhalten. Ich würde mir mehr Verständnis dafür wünschen, dass meine Hirnstoffwechselstörung genauso „normal“ ist wie Diabetes.
Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?
Die Psychoedukation (eine strukturierte Vermittlung von Wissen zu meiner Krankheit), die die Klinik angeboten hat, war für mich und meinen Partner sehr hilfreich. Besonders hilft es mir auch, den Stimmungskalender von der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. täglich zu führen. Und schließlich war es mir wichtig, dass ich in einer schlaflosen Nacht ein Buch über meine Krankheit für meine Kinder schreiben konnte und dieses unter dem Titel „Was ist bloß mit Pepita los?“ veröffentlicht habe.
Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?
Ich nutze meine Achtsamkeit. Rechtzeitig auf meine Stimmungsschwankungen zu reagieren und mir sofort ärztliche Hilfe zu holen, ist sehr wichtig in Krisensituationen. Nach sieben Klinikaufenthalten habe ich dort eine gute Anlaufstelle. Nachts kann ich mich gut mit dem Malen von Acrylbildern und dem Schreiben weiterer Kinderbuch-Geschichten ablenken.
Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?
Wegen der Diagnose bipolare Störung braucht man nicht aufzugeben, die Krankheit ist beherrschbar –
sobald man die individuell richtigen Medikamente gefunden hat. Im Schnitt dauert das zwei Jahre, bei mir waren es drei Jahre. Habt keine Scheu vor der Psychiatrie! Das ist die richtige Stelle für diese Erkrankung. Holt euch Unterstützung bei der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V.
Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?
Ich konnte und kann mich auf meinen Mann 100%ig verlassen, er war für die Kinder da und hat mir den Freiraum gegeben, „gesund“ zu werden. Ich wünsche allen Angehörigen Geduld und das nötige Durchhaltevermögen.
Es gibt für die depressive Phase zwei tolle Bücher von Matthew Johnstone. Es sind Bilderbücher für Erwachsene, die hervorragend beschreiben, was Betroffenen und Angehörigen wirklich hilft im Umgang mit der Erkrankung und miteinander. In der manischen Phase ist es ganz wichtig, dass Angehörige einen kühlen Kopf bewahren und sich schnellstmöglich psychiatrische Unterstützung holen. So kann meistens Schlimmeres verhindert und die Phase schneller abgedämpft werden.
Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?
Ich schätze meine Offenheit, die es mir ermöglicht hat, mich schnell auf die Therapien einzulassen. Am meisten schätze ich meine positive Einstellung zum Leben, weil ich glaube, dass es irgendwie, irgendwann gut weitergeht.
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Foto: privat