Depressionen, Borderline und Angsstörung: Leben wollen ist Punk!

Betroffene: Anne

Jahrgang: 1982

Diagnosen: chronische agitierte rezidivierende Depression, Borderline Persönlichkeitsstörung, Angststörung, Impulskontrollstörung

Therapie: Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

Ressourcen: meine Kinder, Teile meiner Familie, Partner, Freund*innen, lesen, malen, schreiben, Skills – Was jetzt erst wieder aufflammt: Hobbies waren laaaaaangen nicht mehr im Fokus!

 

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

08/2008, als ich nach langem Leidensweg bei meiner damaligen Therapeutin saß, ich unglaublich viel geweint habe und sie dann zu mir meinte ‚Ich beantrage für Sie eine Langzeittherapie. Mit Kurzzeit richte ich hier nichts aus, bei Ihnen“.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Weil es jede*n treffen kann!!

Und weil ich für meine Kinder eine offenere Welt ebnen möchte, damit sie besser mit psychischen Erkrankungen umgehen können. Und sie die Entstigmatisierung weiterführen, die meine Generation jetzt anstößt.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

Ganz schwierig!! Schockiert. Unsicher. Teilweise wenig verständnisvoll. Irritiert. Selbstvorwürfe. Warum nur? Du? Das kann ich mir gar nicht vorstellen!! Etc – da zweifelt man ganz schön an sich selber. Mal wieder.

Geht OFFEN mit euren Ängsten um!

Seitdem ich offen mit meinen Kindern darüber reden, was mit mir ist, gehen meine Kinder auch anders mit mir um! Weil ich ihnen nun sagen kann, dass es meine Erkrankung ist, was da im Weg steht und nicht mein Kind selber! Das ist total wichtig!

Manchmal verzweifel ich an dem Gedanken, dass ich, durch meine Erkrankungen, sie nicht mit der hollywoodreifen Mamaliebe überschütten kann, wie ich gerne würde.

Dennoch kann ich mir an guten Tagen dann sagen „Hey. Du gibst trotzdem jeden Tag dein Bestes. Das ist halt mal mehr, mal weniger. Und du lebst und atmest. Und das ist ok. Wir lieben uns und halten zusammen. Das ist viel mehr wert, als alles andere.“ An schlechten Tagen funktioniert das leider nicht.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Dass ich in der Klinik auf Verständnis gestoßen bin! Und da auf einmal Menschen waren, die ähnliches wie ich durchlebt haben und fühlen.

Der Blick von Außen, gepaart mit Empathie, ist viel wert!

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Bin noch auf meinem Weg. Aber Skills wie heiße Dusche, REDEN, Chillibonbons, Familienhelferin, Duftöle. Es kommt immer drauf an, was grade in meinem Schädel explodiert und welcher DÄMON grade am lautesten ist, und dann kann ich gucken, was ich brauche. abgef*ckte Tage gibt es immer wieder. Klappt halt nicht jeden Tag aber zunehmend besser.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Öffnet euch. Auch, wenn ihr auf Ablenkung oder Missverständnisse stoßt! Sucht euch Hilfe. Sucht euch Gleichgesinnte! Öffnet euch, denn ihr seid NICHT alleine!! Auch, wenn euch das eure Scheißkrankheit das einreden will – glaubt das nicht.

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Ihr werdet auf Ablehnung stoßen! Auf Zeiten, wo der Krieg im Kopf eures lieben Menschen tobt!! Das ist echt Scheiße!! Und führt vielleicht zu einem Gefühl von Ohnmacht. Passt aber auf euch auf und lasst diese Unmacht nicht übermächtig werden!

Zieht eure Grenzen aber bleibt auch bei eurem Betroffen. „Ich bin für dich da, wenn du mich brauchst! Aber den Rettungsring muss du selber neuen wollen“ – das kostet euch viel Kraft, ich weiß … aber den Rettungsring zu nehmen kostet uns noch mehr Kraft, weil wir uns ganz viel eingestehen müssen, was wir per se vielleicht gar nicht wollen. Da findet ein unglaublich riesiger innerer Kampf statt. Gebt uns Zeit und Raum. Auch, wenn wir mal schreien, weinen, toben.

NEHMT DAS NICHT PERSÖNLICH.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Puh…schwere Frage 😅 das können andere von außen besser beantworten… Meine Geduld mit anderen (mir gegenüber ganz schlecht). Mein offenes, unterstützendes Wesen. Mein NEUER starker Drang etwas in der Gesellschaft zu ändern.

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