Saskia Böhm

„Borderliner – Menschen mit starken Emotionen. Emotionen sind die Wellen, auf denen wir reiten!“

Betroffene: Saskia Böhm
Jahrgang: 1970
Diagnose: Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (Borderline), Depressionen, PTBS, chronische Schmerzen
Therapie: Verhaltenstherapie, DBT (Dialektisch-Behaviorale Therpapie), Schematherapie

 

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

Ich hatte meinen ersten Zusammenbruch 2006. Nach und nach kamen dann die Diagnosen. Ich hatte mehrere Klinikaufenthalte mit verschiedenen Therapieansätzen, seit 2012 stehen die Diagnosen.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Ich möchte mich nicht mehr verstecken. Ich habe durch die Erkrankung Qualitäten und Ressourcen erhalten, die ich dazu nutzen möchte, anderen zu helfen und Mut zu machen für das Leben! Außerdem möchte ich dazu beitragen, dass psychische Erkrankungen in unserer Gesellschaft akzeptiert werden. Denn Borderline und Depressionen sind ernsthafte Erkrankungen, die man nicht damit abtun kann, dass die Menschen nur Aufmerksamkeit möchten – oder dass nur ’ne Phase ist!

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

Sehr unterschiedlich: Mein Partner hat es von Anfang an ernst genommen und alles unterstützt, was ich an Therapien und Klinikaufenthalten unternommen habe. Manchmal ist er überfordert und kann mit den Stimmungswechseln nicht so gut umgehen.

Die Familie sah es als „sich Anstellen – Aufmerksamkeit bekommen“, bis mich eines Tages die Polizei gesucht hat, weil mein Arzt sie darüber informiert hat, dass ich nicht erreichbar sei und an dem Tag sehr schlecht drauf war. Umgehen können sie damit aber nach wie vor nicht. Sie versuchen, meine Stimmungsschwankungen und Krisen zu akzeptieren. Meine Kinder sind mittlerweile erwachsen und wissen, mit mir umzugehen. Ihre Unterstützung habe ich. Der Rest der Familie kennt das volle Ausmaß nicht: da funktioniert die Maske.

Ich habe nicht viele Freunde, aber jene, die ich habe, akzeptieren mich wie ich bin, und versuchen soweit sie können zu helfen – und wenn es nur zuhören ist. Ich versuche aber sowenig wie möglich nach Hilfe zu fragen. Manchmal sind auch sie überfordert.

Ich würde mich wünschen, dass die Gesellschaft psychische Erkrankungen mehr akzeptiert und im Umgang einfühlsamer und interessierter ist. Ich wünsche mir, dass man aufhört mit Floskeln wie „Das wird schon wieder.“ „Stell dich nicht so an“ oder sie einfach nur als „Laune“ abzutun!

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Die verschiedenen Therapien, viele Gespräche, der Austausch mit anderen Betroffenen und die Auseinandersetzung mit mir selbst durch Lesen von Büchern, Aufschreiben wie es mir geht, und was ich tue. Auch das Verständnis von Partner und Freunden hilft sehr. Ich habe lange gebraucht, die Krankheit zu akzeptieren; habe gegen mich selbst angekämpft, und mich in Frage gestellt. Mittlerweile verwende ich meine Kräfte dazu, mir selbst und anderen zu helfen, da zu sein, zuzuhören, und meine Erfahrungen weiter zu geben.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Ich stehe immer zur gleichen Zeit auf, versuche ich abzulenken, mit Lesen, Malen und schreibe viel Tagebuch. Ich gehe mit dem Hund spazieren. Wenn es schlimmer ist, hole ich mir Hilfe – entweder bei Freunden, meinem Psychologen oder meinem Arzt.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Holt Euch Hilfe bei Menschen, denen ihr vertraut, nutzt jede Gelegenheit, Dinge auszuprobieren. Wenn eine Therapie nicht hilft, gebt nicht auf, nutzt eine andere Form. Wenn ihr gute Zeiten habt, schaut, was ihr gerne machen möchtet, was euch Spaß macht, und Euch in schlechten Zeiten helfen kann. Geht achtsam mit euch um, und macht, was Euch guttut!

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Seid für die Betroffenen da, fragt nach, wie ihr helfen könnt. Unterstützt sie auch bei Arztbesuchen, wenn nötig. Hört ihnen zu, seid geduldig, lenkt sie ab, wenn sie bereit dazu sind. Motiviert sie rauszugehen, sich Hobbies zu suchen, und auch nach Hilfe und Unterstützung zu fragen. Besucht selber Angehörigentreffen, informiert Euch über die Erkrankung, wie ihr für die Betroffenen da sein könnt. Achtet aber darauf, dass Ihr selber dabei nicht über Eure Belastungsgrenze geht.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich bin zuverlässig, empathisch, ehrlich und gebe nicht auf. Ich denke, dies ist meine wichtigste Eigenschaft; dadurch greife ich nach jedem Strohhalm, informiere mich regelmäßig. Auch der Austausch mit anderen und die Möglichkeit, anderen zu helfen, und sie zu motivieren, ihnen Mut zu machen, hilft mir wiederum. Ich kann mich reflektieren, schreibe sehr viel, um mich auszudrücken und auch anderen mitzuteilen, wenn es über die Sprache nicht geht.