Bipolare Störung: Wenn ich nicht mehr kann, dann ruhe ich mich aus, statt aufzugeben.

Betroffene: Yvonne Nehrkorn
Jahrgang: 1967
Diagnose: Bipolare Störung, Schizoaffektive Störung
Therapie: Psychotherapie
Ressourcen: Lesen und darüber bloggen, Fotografieren, Sport, Handarbeiten, Gestalten mit Stein

 

Wie und wann hast du von deiner Störung erfahren?

Als sich 2008 alles zuspitzte und mein Leben unerträglich wurde, wurde ich in der Klinik stationär aufgenommen und schilderte, was mich in den vier Jahren zuvor massiv belastete und aus dem Leben gerissen hatte. Die Diagnosen erhielt ich gleich nach dem ersten Gespräch. Behandlung, Medikamente und Therapie folgten und passten sofort.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Ich bin von vornherein so offen wie möglich mit meiner Erkrankung umgegangen, habe aber immer genau differenziert, wem ich davon erzähle und wem nicht. Als vor einigen Monaten ein Gastbeitrag von mir auf einer Webseite veröffentlicht wurde, entschied ich mich nach langer Überlegung namentlich und mit Foto dahinter zu stehen. Wer meinen Namen googelt erfährt also mehr, als ich bei einem ersten persönlichen Treffen von mir normalerweise preisgeben würde. Ein wichtiger Schritt für mich. Die Offenheit tut mir gut.

Und mir tut auch das Projekt #mutmachleute gut, weil es zeigt, dass es viele Menschen mit psychischen Erkrankungen gibt, die hier eine Stimme, einen Namen und ein Gesicht erhalten. Menschen, die es nicht immer leicht haben, vor denen man aber auch keine Angst haben muss – zu diesen Menschen gehöre auch ich.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld in Bezug auf deine Störung wünschen?

Mein Umfeld war betroffen und unwissend. Man kann nicht verlangen, dass die Menschen um einen herum sich so intensiv mit der Erkrankung auseinandersetzen, wie man selbst. Aber ich würde mir Offenheit wünschen, zuhören und fragen, statt zu vermuten, betroffen zu schweigen oder Urteile ohne Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Problematiken zu fällen.

 

Welche Dinge haben Dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Ich konnte meine Krankheit erst nach jahrelangem kennen lernen, intensiver Selbstbeobachtung und vielem Ausprobieren von Strategien akzeptieren, also erst dann, als ich mit der Erkrankung umgehen konnte und ihr nicht mehr komplett hilflos ausgeliefert war.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

In Krisen hilft mir der Beistand meines Partners und ansonsten der Rückzug von allem. Ein kurzes Verharren zur Bestandsaufnahme, in der ich mir die Zeit zum Ausruhen nehme, die aber nicht zu lange andauern darf. So schnell wie möglich werde ich wieder in dem Maße aktiv, in dem es möglich ist und widme mich dem Fotografieren, Lesen, Schreiben, der Bewegung – den Dingen, die meine Aufmerksamkeit auf die schönen Dinge im Leben richten, mir gut tun und mich fokussieren. Wenn das nicht wirken sollte, gibt es ein Medikament, das mir schon einmal geholfen hat. Und wenn auch das nicht helfen sollte, weiß ich, wo ich Hilfe bekomme: Bei meiner Psychologin, Psychotherapeutin oder in der Klinik.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Werdet Experten eurer Erkrankung! Lernt alles über sie und darüber, wie sie auf euch wirkt.

Lernt eure Krankheit kennen und lernt mit ihr umzugehen, damit ihr die Kontrolle über euch selbst zurückbekommt.
Es dauert, aber es geht. Und es lohnt sich!

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir
(einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Ihr habt einen Menschen mit vielen Facetten vor euch und die Erkrankung ist nur ein Teil davon, wenn auch ein sehr anstrengender. Seid offen, hört zu, seid da – aber lasst euch davon nicht kaputt machen, denn damit helft ihr auch niemandem.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich bin vielseitig interessiert und lerne gern dazu, das sind Eigenschaften, die dabei helfen, mehr über seine Erkrankung zu erfahren. Außerdem probiere ich gern Neues aus, weil sich manches nur verbessern lässt, wenn man Gelerntes auch umsetzt und bereit ist sein Leben zu ändern.
 
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