Mutmachleute Daniel

Internetsex- bzw. Pornosucht: Don´t forget to smile.

Betroffener: Daniel

Jahrgang: 1991

Diagnose: Internet-Sex- bzw. Pornosucht

Ressourcen: Lesen, Meditation, Wandern, Fußball, Freunde, Familie

 

 

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

Sie war mir lange Zeit nicht bewusst. Erst nachdem ich davon in den Medien erfahren habe (das war vor sieben Jahren), wurde mir bewusst, dass ich dasselbe Problemverhalten zeige. Danach habe ich weiter im Internet gestöbert und mir wurde klar, dass ich ebenfalls pornosüchtig war bzw. immer noch bin. Eine Sucht hat man ein Leben lang, nur kann man irgendwann besser damit umgehen.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Gerade dieses Thema ist weiterhin sehr tabuisiert in unserer Gesellschaft. Ich habe mich noch nicht einmal getraut, mir Hilfe zu holen, geschweige denn eine Therapie zu machen. Von diesem Problem weiß bisher keine Person in meinem Umfeld. Es ist mit sehr viel Scham verbunden. Ich habe einen sehr guten Freund, der eigentlich alles über mich weiß und selbst diesem würde ich davon nicht erzählen. Dies zeigt, wie schambehaftet dieses Thema ist. Gleichzeitig kann es starken Leidensdruck auslösen. Meist stehen andere Probleme dahinter, die es zu untersuchen gilt. Ich habe viele Jahre selbst mit meinem Problem gekämpft und möchte anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen, um nicht ebenfalls einen solchen langen Leidensweg gehen zu müssen. Das Problem hat sich vor allem auf den Bereich der Partnerbeziehung und Sexualität negativ ausgewirkt.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

Es weiß, wie gesagt, niemand aus meinem Umfeld von diesem Problem.
Ich würde mir von der Gesellschaft wünschen, das Thema Pornokonsum zu enttabuisieren. Es sollten mehr Informationen an Kinder und Jugendliche herausgegeben werden. Das Thema sollte präventiv in Schulen behandelt werden. Es sollten mehr Angebote entwickelt werden. Ich habe damals vergeblich eine Selbsthilfegruppe gesucht.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Ich habe die Krankheit als Chance gesehen, mein Leben in bestimmten Punkten zu ändern.

Die Krankheit hat mir ermöglicht, mich selbst zu reflektieren: Warum habe ich ein Problem damit? Welche Wurzeln hat das Problem? Was kompensiere ich damit?

Durch die Beantwortung dieser Fragen habe ich mich selbst besser kennengelernt und habe angefangen, Dinge zu ändern. Dies war natürlich kein leichter Weg und es gab immer wieder Rückschläge. Ich habe dann aber versucht, mich dafür nicht zu verurteilen sondern weiter an mir zu arbeiten. Somit habe ich die Krankheit im Nachhinein als Chance zur Veränderung und Weiterentwicklung gesehen und konnte sie und mich somit irgendwann akzeptieren.


Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Wenn der Drang zum Konsum wieder hochkommt – und das tut er nach Jahren immer wieder mal, weil er durch bestimmte Reize schnell ausgelöst werden kann (Suchtgedächtnis) – versuche ich mich abzulenken: z.B. joggen, meditieren, rausgehen.
 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Verurteilt euch nicht für euer Problem, sondern geht möglichst selbstliebend mit euch um. Auch andere haben dieses Problem, ihr seid nicht alleine und es gibt einen Ausweg. Ich weiß, dass das Problem sehr schambehaftet ist und auch ich habe viele Jahre gebraucht, um mir dieses Problem einzugestehen. Es lohnt sich aber, mit dem Konsum aufzuhören. Gebt nicht auf!

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Schwierige Frage. Wenn jemand ein Alkohol- oder Drogenproblem hat, gibt es meist viel Verständnis, weil das Thema bekannt ist. Pornosucht jedoch ist meiner Erfahrung  nach bei anderen erst einmal mit Ekel verbunden oder die Leute wissen nicht, was sie dazu sagen sollen, sind überfordert. Ich mache ihnen daher keinen Vorwurf. Vielleicht könnte es helfen, einfach zuzuhören, ohne zu urteilen und stattdessen Mitgefühl zu entwickeln, dafür dass der- oder diejenige damit ein großes Problem hat, unter dem er/sie leidet.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich war eine sehr selbstkritische und selbstzweifelnde Person und habe gelernt, mich selbst zu akzeptieren und zu lieben. Ich versuche auch andere so zu akzeptieren, wie sie sind. Ich schätze an mir meine Empathiefähigkeit und, dass ich immer wieder an mir arbeite und versuche, mich weiter zu entwickeln und nach Rückschlägen wieder aufstehe. Zudem bin ich eine dankbare Person. Ich lebe zurzeit viel bewusster als früher und versuche das Leben mit mehr Dankbarkeit und Achtsamkeit wahrzunehmen.

Ich schätze meine Selbstreflexion, die mich weiterbringt und meinen Mut, mich hier mit meinem Problem zu öffnen, um anderen ebenfalls Mut zu machen.