Über die Liebe zu Partnern mit einer bipolaren Erkrankung.
Wo die Liebe hinfällt, steht sie wieder auf: Über die Liebe zu Partnern mit einer bipolaren Erkrankung.
Angehörige von Partnern mit einer Erkrankung aus dem bipolaren Spektrum erleben gleichermaßen die Achterbahn der Gefühle: Sowohl depressive als auch manische Phasen hinterlassen eine tiefgreifende Wirkung auf die Beziehung und fordern die Beteiligten heraus. Sie versuchen oft, das Gleichgewicht wiederherzustellen oder einen Gegenpol zu bilden – eine kräfteraubende Anstrengung. Sie müssen lernen, sich nicht mitreißen zu lassen vom manischen Handeln des Partners bzw. sich nicht zu verlieren in der (tiefen) Depression, in die ein Mensch mit bipolarer Erkrankung stürzen kann. Dass Partner sich aber der Hilflosigkeit und Ohnmacht im schlimmsten Falle nicht hingeben müssen, darüber weiß unser Gastautor zu berichten: Die Liebe kann alles schaffen.
Olaf Baier schreibt einen bewegenden Artikel über die Partnerschaft und Liebe zu Menschen mit einer bipolaren Störung.
Gerade in der akuten manischen Phase tritt oftmals eine radikale Persönlichkeitsveränderung bei dem Betroffenen ein. Gefangen in manischen Größenwahnfantasien neigen Betroffene zur Uneinsichtigkeit bzgl. der eigenen Erkrankung, vergessen Umgangsformen, werden schnell „grenzüberschreitend“ und verletzend – auch ihren Angehörigen und Liebsten gegenüber. Hilflosigkeit macht sich breit, die erst einmal ausgehalten werden muss.
Auch werden die Partner oft mit der „Promiskuität“ konfrontiert, d.h. mit dem Wunsch des Betroffenen nach schnell wechselnden Geschlechtspartnern. Zurück bleibt der eigene Partner, verständnislos und verletzt. Männer sowie Frauen sind als Bipolare gleichermaßen betroffen. Hierbei handelt es sich jedoch um eine typische Krankheitssymptomatik ohne eine tiefere gefühlsmäßige Bedeutung. Dieses Verhalten der Betroffenen strapaziert aber oftmals die eigene Partnerschaft über alle Maßen und überschreitet die Grenzen des Verständnisses der Partner. Gerade Frauen mit bipolaren Partnern scheinen am meisten unter dieser Symptomatik zu leiden. Sie haben sich aufgeopfert und sehen sich dann „zum Dank“ mit sexueller Umtriebigkeit ihres Partners konfrontiert. Dies nicht persönlich zu nehmen, sondern als Teil der Erkrankung zu sehen, überschreitet oft die menschlichen Möglichkeiten und führt zur Zerreißprobe. Dies ist eine tragische Situation.
Kann die Liebe so etwas aushalten? Ich sage ja, denn die Liebe vermag letztlich alles.
Das heißt aber nicht, dass sich der Angehörige oder Partner alles gefallen lassen muss, ganz im Gegenteil. Das Erkennen der eigenen Bedürfnisse und deren Schutz und Wahrung sind ganz wichtig. Der Angehörige muss lernen, seine Grenzen aufzuzeigen und diese auch mitzuteilen – und diese konsequent durchzusetzen. Klare Ansagen und Regeln sind hier sehr hilfreich. Selbst wenn eine räumliche Trennung notwendig werden sollte, so kann der Angehörige und Partner doch seine Liebe zum Betroffenen im Herzen wahren. Egal unter welchen Umständen, keinem Menschen kann die Liebe genommen werden. Ganz im Gegenteil: Die Liebe kann sich aus dem kleinen egoistischen Selbst aufschwingen zu etwas Höherem.
Der Betroffene ist gerade in akuten Krankheitsphasen gegenüber seiner Erkrankung uneinsichtig. Er fühlt sich ja auch hervorragend in seinem übersteigerten Wohlbefinden; dies ist genau das Tückische an dieser Erkrankung, da der Betroffene in dieser Phase dazu neigt, professionelle Hilfe und auch eine hilfreiche Medikation abzulehnen bzw. abzusetzen. Eine gute, professionelle Medikamenteneinstellung erhöht die Lebensqualität enorm (auch wenn oft Nebenwirkungen eine Rolle spielen bei der Einstellung auf neue Medikamente) und bereitet somit auch wieder den Weg in eine erfüllte und erfüllende Partnerschaft.
Das Ganze ist ein langwieriger Erkenntnisprozess. Aber er birgt für alle Beteiligten die Chance, mehr über sich selbst zu erfahren. Im Geleitschutz der Liebe besteht durchaus die Möglichkeit, sich dieser Herausforderung zu stellen.
In diesem Sinne wünsche ich allen Beteiligten Mut, Kraft und viel seelische Gesundheit, euer Olaf.
Olaf Baier hat bei den #Mutmachleuten bereits einen mutmachenden Beitrag geschrieben.
Auf seiner Facebookseite Psychiatrie & Kunst könnt ihr euch einen Eindruck davon verschaffen, wie Olaf sich gestalterisch auseinandersetzt mit den Themen Psychiatrie, Inhalte von Psychosen, Manien und Depressionen, um zur Entstigmatisierung beizutragen.