Mutmachleute Carsten

Bipolare Störung: Man kann Leben wieder lernen.

Betroffener: Carsten

Jahrgang: 1975

Diagnose: Bipolare affektive Störung

Therapien: Medikation und Psychotherapie

Ressourcen: Meine Partnerin und meine Kinder, meine Selbsthilfegruppe, das Kochen und meine Tagesstruktur

 

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

Ich bin im Jahre 2015 an einer schweren Depression erkrankt. Das war der Grund für eine Reha in einer psychosomatischen Klinik. Während des Aufenthaltes wechselte ich von der Depression in eine Hypomanie, ohne dass ich das selbst bemerkt habe. Am Entlassungstag teilte mir der Oberarzt meine abschließende Diagnose mit: „Bipolare Störung“. Noch nie hatte ich vorher etwas davon gehört.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Jeder weiß, was eine Erkältung bedeutet. Jeder hat Verständnis dafür, wenn man sich damit schwach fühlt und im Bett liegen bleiben möchte. Aber kaum jemand weiß, was eine Bipolare Störung ist und warum die Betroffenen so handeln und fühlen, wie sie es tun durch ihre Erkrankung. Mir geht es klar um Aufklärung, damit das Verständnis für die Betroffenen und ihre Situation verbessert werden kann. Viele verschweigen ihre Erkrankung, weil sie ich schämen dafür.

Ich möchte diesen Menschen Mut machen, offen mit ihrer Erkrankung umzugehen. Die immer noch vorhandene Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft muss auf breiter Front entgegengewirkt werden.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

 

Mit sehr viel Unverständnis und das konnte ich auch verstehen, ich wusste ja selbst nicht was mit mir los war. Ich hielt die Dinge, die ich in einer Manie getan habe für normal und war überzeugt, dass richtige zu tun. Erst später habe ich verstanden, dass es die Krankheitsphase war, die mich gesteuert hat und nicht meine Persönlichkeit. Das musste auch mein Umfeld erst lernen.

Gerade wenn man andere Menschen durch sein Handeln verletzt, fällt es diesen besonders schwer zwischen meiner Persönlichkeit und meiner Erkrankung zu unterscheiden. Viele Personen haben sich zurückgezogen oder mir nicht geantwortet als sie von meiner Erkrankung erfahren haben. Das hat mich verletzt und das verletzt mich auch heute noch.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Ich habe mich aktiv informiert und ich habe viel gelernt. Nicht nur über die Erkrankung, auch über mich selbst. Es dauert eine ganze Weile, bis man gelernt hat mit der Erkrankung umzugehen und zu akzeptieren, dass die Erkrankung nicht mehr aus dem Leben verschwinden wird. Das eigentlich nichts mehr so sein wird, wie es vor der Erkrankung war.

Am meisten geholfen zu akzeptieren haben mir Selbsthilfegruppen im Internet. Der Austausch mit anderen Betroffenen war für mich sehr hilfreich beim Lernen und akzeptieren können. Das Gefühl der Gemeinschaft und des nicht allein sein mit der Erkrankung hat mir immer geholfen. Heute leite ich selbst eine Selbsthilfegruppe. Es ist ein gutes Gefühl seine Erfahrungen weiter geben zu können und damit anderen zu helfen. Das hilft mir selbst jeden Tag.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Ich halte engen Kontakt mit meinen Ärzten, mit denen ich meine Medikation permanent abstimme, insbesondere in Phasen. Ich passe mein Verhalten entsprechend den Phasen von Manie und Depression an. Ich hole mir Feedback von vertrauten Menschen und beobachte mich selbst genau. Wenn es notwendig wird, suche ich rechtzeitig die Klinik auf.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Informiert Euch so viel wie möglich über die Erkrankung, gerade auch in stabilen Phasen. Nutzt alle Hilfestellungen, die angeboten werden: Medizinische Behandlung, Psychotherapie, Selbsthilfegruppen, Pflegegeld und Grad der Behinderung etc.

Und so schwer eine Phase auch ist, eins wissen wir ganz genau: Jede Phase geht vorbei.

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Angehörige sollten ebenfalls gut informiert sein. Sie sollten in die Behandlung mit einbezogen werden, um so aktiv an Fortschritten des Betroffenen mitwirken zu können und selbst besser zu verstehen. Das Feedback der Angehörigen ist wertvoll, um beurteilen zu können, wo man selbst steht und wie man mit seinem Verhalten auf die Außenwelt wirkt. Essential für Angehörige ist der Punkt Abgrenzung. Um sich nicht selbst zu überfordern, ist es wichtig sich in dem Umgang mit der erkrankten Person klare Grenzen zu setzen. Helfen und sich auch selbst schützen können ist eine erfolgreiche Kombination.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich bin ein Macher und Problemlöser. Meine Auffassungsgabe und meine strukturierte Denkweise sind meine großen Stärken. Ich bin sehr hilfsbereit und unterstütze gerne andere Menschen. Aus diesem Grunde habe ich dieses Jahr die Selbsthilfegruppe: „Bipolare Störung – Gefühle am Limit“ gegründet.

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