Schizoaffektive Erkrankung: Innere Zufriedenheit ist mein Schatz.

Betroffener: Olaf Baier
Jahrgang: 1963
Diagnose: Schizoaffektive Erkrankung (d.h. bipolar mit schizophrenem Erleben)
Therapie: Psychoedukation, Soziales Kompetenztraining, Kognitiv Behaviorale Therapie, Kognitives Training, Musiktherapie, Ergotherapie
Ressourcen: Soziales Umfeld (Kumpels und Freunde), Mozart, AC/DC u. Motorhead hören, Gitarre spielen, Natur, Eckhart Tolle, Denkpausen einlegen, achtsames Atmen

 

Wie und wann hast du von deiner Störung erfahren?

Mit dem 19. Lebensjahr. Damals wusste aber noch niemand, dass es sich um eine Erkrankung handelt. Es fing mit einer Depression an und entwickelte sich dann zu einer schizoaffektiven Erkrankung.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Ich finde es wichtig, dass psychische Erkrankungen in der Öffentlichkeit endlich auch als „Erkrankung“ wahrgenommen werden und nicht als Charakterschwäche oder sonst irgendetwas. Deshalb sollten wir sie aus dem Dunkel erheben und die Öffentlichkeit informieren, zumal psychische Krankheiten in Deutschland auch schon zur Volkskrankheit geworden sind und trotzdem nur über eine schwache Lobby verfügen.

Ich wurde auch schon selbst aktiv mit einer Facebookseite, die sich mit dem Thema auseinandersetzt.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld in Bezug auf deine Störung wünschen?

Mein familiäres Umfeld hat die Situation damals nicht einschätzen können und stand der ersten Depression verständnislos gegenüber. Freunde haben sich distanziert und ich fühlte mich eine Zeit lang recht isoliert. In den 1980er Jahren waren psychische Erkrankungen noch weniger anerkannt wie heute. Eine spätere Ehe hat der Erkrankung auch nicht standgehalten. Insgesamt hat mein Umfeld doch recht verständnislos und ängstlich reagiert.

Ich würde mir von meinem Umfeld einen offenen Umgang mit der Erkrankung wünschen, d.h., dass die Problematik offen kommuniziert werden kann und auch ein gewisses Interesse seitens des Umfelds vorhanden ist. Das vermisse ich. Ansonsten wünsche ich mir einen ganz normalen, respektvollen Umgang miteinander.

 

Welche Dinge haben Dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Ich konnte die Erkrankung die längste Zeit überhaupt nicht akzeptieren und „wollte“ unbedingt wieder gesund werden (verständlich). Erst im Laufe der Zeit merkte ich, dass es sich um eine chronische, wiederkehrende Symptomatik handelt. Nach vielen experimentellen Ansätzen, auch ohne Medikamente durch Psychosen zu gehen, die aber allesamt scheiterten, kam die Akzeptanz erst vor ca. fünf Jahren, also recht spät.

Der ganze leidhafte „Weg“ hat mich letztlich in die Akzeptanz gezwungen, so dass ich endlich aufhören konnte, dagegen anzukämpfen. Erst durch alle Verluste hat sich die Akzeptanz eingestellt, die mir letztlich innere Zufriedenheit geschenkt hat. Hört sich wie ein Widerspruch an, ist aber so.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Die Lehre von Herrn Eckart Tolle hat mir im Umgang mit meinen Gedanken, Emotionen und Verhaltensweisen sehr geholfen. Weiterhin nutze ich Medikamente. Musik: Mozart zum Beruhigen und AC/DC um Kraft zu schöpfen. Atemtechniken. Naturspaziergänge, die mir Kraft schenken. Denkpausen einlegen – eine Art Achtsamkeitsübung. Zusammensein mit Kumpels.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Das ist schwer zu sagen, da jeder Fall einzigartig ist. Allgemein würde ich sagen: „Holt euch Hilfe und isoliert euch nicht!“ Das könnten Selbsthilfegruppen sein, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen oder auch die Inanspruchnahme der Psychiatrie, wenn es ganz dicke kommt. Da gibt es aus meiner Sicht zwar viel zu verbessern, aber besser als zu Hause Selbstmordpläne zu schmieden ist es allemal. Das Zusammensein mit anderen Betroffenen kann sehr entlastend sein.

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir
(einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Ich würde Angehörigen raten, nicht sämtliches Verhalten des Betroffenen persönlich zu nehmen, da vieles, was befremdlich erscheint, zur Symptomatik der „Erkrankung“ gehört. Grenzt euch aber auch ein Stück weit vom Betroffenen ab, um nicht eure eigenen Bedürfnisse aus den Augen zu verlieren und macht auch mal klare Ansagen, was bei euch so Sache ist, das hätte mir als Betroffener auch geholfen.

Es wäre schön, wenn Angehörige auch die gesunden Anteile der Betroffenen sehen und deren Selbständigkeit unterstützen. Aus meiner eigenen Erfahrung ist das Zusammensein mit einem psychisch Erkrankten schon eine Herausforderung und ein Drahtseilakt. Nur das Band der Liebe wird über den Zusammenhalt entscheiden.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich bin nicht nachtragend und versuche Menschen so sein zu lassen, wie sie sind (bin bemüht). Ansonsten versuche ich, diplomatisch zu sein und Gegensätze zu „einen“, statt zu trennen.

Auf der Facebookseite Psychiatrie & Kunst könnt Ihr Euch einen Eindruck davon verschaffen, wie Olaf sich gestalterisch auseinandersetzt mit den Themen Psychiatrie, Inhalte von Psychosen, Manien und Depressionen, um zur Entstigmatisierung beizutragen.