Bipolare Störung: Es gibt immer noch eine neue Lösung – auch wenn man den Glauben schon lange verloren hat.

Betroffener: Maximilian Haas

Jahrgang: 1991

Diagnose: Bipolare Störung

Therapien: medikamentöse Therapie mit Stimmungsstabilisierern, mehrmalige ambulante Psychotherapien und ein Psychiatrieaufenthalt

Ressourcen: Meditation, Sport, Freundinnen und Freunde, die eingeweiht sind, stabiles Familiennetz, Achtsamkeit, Zeit im Grünen (z.B. Lesen, Sport, Freunde)

 

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

Ich wurde 2017 mit bipolarer Störung diagnostiziert. Das war sicher nicht der erste Zeitpunkt, dass ich an diese Diagnose gedacht habe. Nach Auf und Ab zu Beginn meines Medizinstudiums hatte ich mich natürlich mit den Symptomen beschäftigt. Als ich 2013 mehr über die bipolare Störung las macht es klick. Meine Familie entkräftigte meine Vermutung damit, dass es sich eher um „Morbus clinicus“ handele – dass man als Mediziner selber denkt, man hat die Krankheiten, die man studiert. So dauerte es Jahre, die vor allem von schweren Depressionen geprägt waren, um schließlich davon zu „erfahren“.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Meine Erkrankung hat mein Erwachsenleben geprägt. Sie hat mir aber auch in ihren Extremen viel gegeben. Schwere Phasen im Leben bringen immer die Möglichkeit mit, etwas zu lernen. Trotz allem wäre es rückblickend schöner gewesen, wenn ich mir früher die „richtige“ Hilfe gesucht hätte. Davon hat mich aber das Stigma abgehalten. Dagegen will ich nun einstehen – jetzt wo ich die Stärke dazu habe!

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

Mein Vater ist selbst Arzt und hat es dementsprechend fachmännisch aufgenommen. Mein Bruder hat es bis heute nicht richtig verstanden und macht gerne noch Witze hier und da. Aber es wird besser. Daneben hat es mein Freundeskreis wirklich toll aufgenommen. Erst habe ich nur die besten Freunde eingeweiht, die mich einfach nur angenommen und bestärkt haben, in dem Weg sich alle Unterstützung zu holen, die ich brauche.

Inzwischen gehe ich ziemlich offen auch im Bekanntenkreis und beruflichen Umfeld um. In meinem Startup mindpax kann ich das gut machen. Aber in der Gesellschaft nehme ich mich derzeit etwas zurück. Es überfordert Menschen, darüber zu sprechen, sie wissen oft nicht, wie sie darauf reagieren sollen. Mein Gefühl ist, dass man in Teilen für weniger kompetent und eben verrückt gehalten wird.

Insgesamt geht in meiner gesellschaftlichen Bubble, in der ich lebe, schon einiges in die richtige Richtung. Gerade im beruflichen Kontext würde ich natürlich genauso für „voll genommen werden“ wie andere auch.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Akzeptanz kam durch meine Gruppe bei meinem Psychiatrieaufenthalt. Dieser fand gleichzeitig in der Universitätsklinik Heidelberg statt, also meiner Uni. Meine Kommiliton*innen machten zur jener Zeit dort ihre Doktorarbeit. So musste ich mich sehr diesem Thema stellen. Das war zunächst hart, aber nachdem es nur einen Weg nach vorn gab, war es eine Befreiung, die Erkrankung anzunehmen und den anderen ohne viel Scham in die Augen zu blicken. Dies war natürlich nur möglich, weil mich mein Freundeskreis so bestärkt hat.


Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Ich fahre alles runter, setze mich wenig Stimulation aus. Gut tun mir Spaziergänge im Grünen und Meditationen mit Entspannungsmusik. Manchmal hilft auch einfach nur Weinen und dem Gefühl der Überforderung, der Overwhelmedness, wirklich Ausdruck zu verleihen.

Es ist dann wichtig, etwas Abstand zum Alltag zu bekommen und sich mit Distanz anzuschauen: Was hat mich gerade in diese Situation geführt? Unerlässlich ist es für mich, Körperkontakt zu geliebten Menschen zu holen und einfach diese Stabilität einer Gruppe zu erfahren, die zusammenhält.


Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Es gibt immer noch eine neue Lösung – auch wenn man den Glauben schon lange verloren hat.

Ich fühle mich heute, als hätte ich ein zweites Leben geschenkt bekommen, nachdem ich jahrelang passiv mit dem Leben abgeschlossen hatte. Trotzdem stehe ich heute vor anderen Problemen. Ich bin vielleicht nicht ganz so leistungsfähig bzw. kann mich so lange konzentrieren wie andere. Aber ich habe gelernt, dass es auch hier Möglichkeiten gibt. So kann ich meiner Vision, unternehmerisch einen Unterschied bei bipolaren Störungen zu machen, jeden Tag einen Schritt näherkommen.

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Nehmt die Erkrankung ernst und informiert euch über die Erkrankung, z.B. mit einem  Ratgeber zur Erkrankung. Einige Charakteristika machen das soziale Leben mit Betroffenen schwierig. Falls das Auge dafür geschult ist, dann vermag es die Unterschiede im Verhalten der Betroffenen erkennen. Das hilft sowohl um das Verhalten von der Person zu trennen. Gleichzeitig können diese Wahrnehmungen für die Betroffenen von großem Wert sein.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Am Ende gebe ich doch nie auf. Ich bringe alles zu einem Ende. Ich habe große Träume und ich arbeite kontinuierlich daran. Ich möchte jeden Tag wachsen. Ich habe eine weite Bandbreite an Gefühlen und kann gleichzeitig auch aus Distanz gut reflektieren über mich. Ich bin ein analytischer Problemlöser. Ich habe gelernt, für meine Mitmenschen einen großen Platz in meinem Leben und Herzen einzurichten.

 

Maximilian bloggt auf Bipolar Health.