Lukas: Diagnose Borderline

Borderline: Leben und leben lassen – Anderssein ist OK

Betroffener: Lukas
Jahrgang: 1983
Diagnosen: Borderline, PTBS, Depressionen u.a.
Therapien: DBT, Traumatherapie
Ressourcen: Natur, Familie, Naturheilkunde

 

Wie und wann hast du von deiner Störung erfahren?

Mit Diagnosen bin ich zum ersten Mal in Berührung gekommen, als ich im Teenageralter eine Therapie begann.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Viele von uns kennen nur eine Sichtweise auf psychische Probleme, dass sie nämlich eine Krankheit sind oder sein können. Dabei gibt es viele andere Ansichten dazu. Ich bin ganz angetan davon, mich auf dem „Marktplatz der Sichtweisen“ umzusehen und frei wählen zu können, was mir davon eher zusagt. Manche mögen ihre Probleme als etwas Medizinisches begreifen, andere als etwas Spirituelles oder Gesellschaftliches. Hauptsache ist ja, dass es individuell als hilfreich empfunden wird.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld in Bezug auf deine Störung wünschen?

Ich würde mir wünschen, dass wir mehr über unsere mentale Vielfalt sprechen und weniger von Defiziten oder davon, wie wir sie ausbügeln können. Wie der Film „Birnenkuchen mit Lavendel“ so schön zeigt, können wir viel gewinnen, wenn wir mehr auf unsere Vielfalt eingehen.

 

Welche Dinge haben Dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Mir hat es eher geholfen, mich von Diagnosen zu lösen und meine Probleme als (zwischen)menschliche Schwierigkeiten zu sehen. In den ersten Zeiten waren Diagnosen hilfreich, um schwierige Dinge zu beschreiben und einordnen zu können. Später empfand ich sie eher als einschränkend und belastend. Inzwischen habe ich mir eine ganzheitlich-naturheilkundliche Vorstellung von dem erarbeitet, was wir als „psychische Erkrankung“ bezeichnen und fahre ganz gut damit. Einmal gehe ich davon aus, dass meine Psyche nicht im medizinischen Sinn erkranken kann. Und dann finde ich die systemische Herangehensweise sinnvoll – demnach „hat“ man kein Borderline, man „verhält“ sich borderlinig.
Gut daran finde ich, dass es vieles offen lässt: Aus was besteht unsere Psyche konkret? Und kann sich dieses „Etwas“ überhaupt auf krankhafte Weise verändern, wie etwa unsere Knochen? Aber auch auf die Frage nach den Ursachen gibt es da keine schlüsselfertige Antworten. Das weitet mir den Blick für die vielen Möglichkeiten, um mit seelischer Not umzugehen.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

In die Natur gehen, Gespräche mit meiner Frau, naturheilkundliche Mittel. Und das Wissen, dass ich aus Krisen gestärkt und mit neuen Fähigkeiten rauskommen kann, wenn ich mich auf die schwierigen Gefühle einlasse.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Ich kann nur von dem sprechen, was mir geholfen hat: mit einem aufgeschlossenen Blick über den eigenen Tellerrand schauen; mich trauen, alternative Ideen auszuprobieren, wenn ich merke, dass es mich zu ihnen hinzieht (oder mir in den Psychotherapien oder Psychiatrien etwas fehlt). Und überhaupt viel zu experimentieren.

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Mir hat es geholfen, dass meine Frau und ich uns gegenseitig immer wieder daran erinnert haben: Wir Menschen sind stärker und widerstandsfähiger als oft angenommen, wir können uns von starken Turbulenzen erholen, gut miteinander arbeiten und zu uns finden. Für meine Ehepartnerin ist es besonders wichtig, eigene Grenzen zu setzen und Rückzugsräume zu haben.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich sage es mal so: Wer ein schlimmes Trauma durchsteht, in dem muss viel Kraft und Wille stecken.

Ich bin Überlebender – kein Opfer.

 
Lukas kann man bei SWR 2 Wissen Tandem hören in einem sehr guten Interview, das wir Euch im Radio-Tipp bei #Denkstoff vorstellen.